Sonntag, 5. Oktober 2025

👬Brüder Grimm

 👬Brüder Grimm


                                          Wilhelm Grimm und Jacob Grimm, 1847


Brüder Grimm nannten sich die Sprachwissenschaftler und Volkskundler Jacob Grimm (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859).



                          Illustriertes Titelblatt des ersten Bandes der zweiten Auflage von 1819

Die Brüder gelten gemeinsam mit Karl Lachmann und Georg Friedrich Benecke als Begründer der Germanistik.



                                                           Karl Lachmann



Die Sammlung stellt „die erste systematische Zusammenfassung und wissenschaftliche Dokumentation von Märchentraditionen“ dar und wurde in über 160 Sprachen übersetzt. 


Herkunft

Die Familie Grimm lebte in Hanau. Der Urgroßvater, Friedrich Grimm der Ältere (1672–1748), und der Großvater, Friedrich Grimm der Jüngere (1707–1777), waren Geistliche des reformierten Glaubensbekenntnisses. 

                                                           Friedrich Grimm (ca. 1741)



Die Eltern Dorothea, geb. Zimmer, und Philipp Wilhelm Grimm hatten in ihrer Ehe neun Kinder, von denen drei als Säuglinge starben. 



                                             Silhouette von Philipp Wilhelm Grimm


Die Brüder Jacob und Wilhelm hatten noch vier jüngere Geschwister, Schwester Charlotte Amalie sowie die Brüder Carl Friedrich, Ludwig Emil und Ferdinand Philipp Grimm. 



                                            Lotte Hassenpflug von Ludwig Emil Grimm, 1820.


Neben Jacob und Wilhelm erlangte Ludwig Emil als Maler Bedeutung, während der ebenfalls als Sagen- und Märchensammler tätige Bruder Ferdinand Philipp Grimm in Vergessenheit geriet. Das Geburtshaus der Brüder Grimm stand am alten Paradeplatz in Hanau. 



                                                    Ludwig Emil Grimm


Ihre Jugend verbrachten sie in Steinau an der Straße, wo der Vater eine Stelle als Amtmann hatte.


                         Ferdinand Grimm als 19-Jähriger (gezeichnet von Ludwig Grimm)

Studienzeit

Um den ältesten Söhnen eine angemessene Bildung für eine eventuelle spätere Laufbahn als Juristen zu ermöglichen, schickte die Mutter die beiden im Herbst 1798, mit 12 bzw. 13 Jahren, nach Kassel zu ihrer Tante. Der Vater war zwei Jahre zuvor an einer Lungenentzündung gestorben.




In Kassel besuchten sie zuerst das Friedrichsgymnasium. Jacob Grimm immatrikulierte sich 1802 an der Universität Marburg und studierte dort Rechtswissenschaft, Wilhelm Grimm folgte ihm ein Jahr später.


                                                    Friedrichsgymnasium


Sie entwickelten sich jedoch nicht zu Romantikern, die vom „gotischen Mittelalter“ schwärmten, sondern waren Realisten, die in der fernen Vergangenheit die Wurzeln für die zeitgenössischen Zustände sahen.



In die Zeit eines sparsamen und zurückgezogenen Lebens nach dem Studienabschluss 1806 datiert der Beginn der Sammlung von Märchen und Sagen, die heute als eines der Hauptwerke der Brüder bekannt sind. 




Die von Jacob und Wilhelm Grimm auf Veranlassung von Achim von Arnim und Clemens Brentano gesammelten Märchen entstanden nicht aus ihrer eigenen Phantasie, sondern wurden nach alten, vorwiegend mündlich überlieferten Geschichten von ihnen gesammelt und zusammengetragen und dann mehr oder minder stark überarbeitet, in Ausdruck und Aussage geglättet und geformt.


                                                                Achim von Arnim




                                     Clemens Brentano (Emilie Linder, um 1837)


Eine ihrer wichtigsten Quellen waren die Märchen, die die aus hugenottischer Familie stammende Dorothea Viehmann aus Niederzwehren bei Kassel den Brüdern erzählte.



Es ist das bleibende Verdienst von Wilhelm Grimm, der mit der Bearbeitung die weitere Verbreitung gesichert und mit der kritischen Untersuchung zu Quellen und Entwicklung der Volksmärchen die Märchenforschung als Wissenschaft begründet hat.



Nach dem Tod der Mutter im Jahr 1808 musste Jacob Grimm als Ältester der Familie für deren Unterhalt sorgen. Seit 1807 hatten Jacob und Wilhelm Grimm Aufsätze über den Minnesang in Fachzeitschriften veröffentlicht. Nach einem Kuraufenthalt Wilhelm Grimms in Halle waren die Brüder wieder gemeinsam in Kassel. 



Dort veröffentlichten sie 1811 ihre ersten selbständigen Bücher: Jacob Grimm über den altdeutschen Meistergesang und Wilhelm Grimm Altdänische Heldenlieder, Balladen und Märchen. 1812 folgten die ersten gemeinsamen Bücher der Brüder.


Jetzt interessierte sich Brentano nicht mehr für die Arbeit der Brüder. Weil die Grimms aber fürchteten, dass die Erzählungen verloren gehen könnten, gaben sie am 20. Dezember 1812 in Berlin eine Anthologie heraus; doch Kinder- und Hausmärchen war ein Flop. Sie versuchten auch 1815 Edda in der deutsche Ausgabe auf zu schreiben, es blieb aber nur bei einem Band.


                  Deckblatt einer isländischen Abschrift der Snorra-Edda aus dem Jahr 1666

Von 1813 bis 1816 brachten die Brüder darüber hinaus drei Bände der Zeitschrift Altdeutsche Wälder heraus, die altdeutsche Literatur zum Inhalt hatte und dann wieder eingestellt wurde.



1814 bezogen die Brüder Grimm zusammen mit ihrer Schwester Charlotte (Lotte) (1793–1833) eine Wohnung im – heute noch erhaltenen – nördlichen Torhaus am Wilhelmshöher Tor. 1815 veröffentlichte Jacob neben einem Buch zur mythologischen Deutung von Götterbildern und -säulen.



                                                                           Charlotte


1815 legten die Brüder den zweiten Band der Kinder- und Hausmärchen vor. 1819 wurde der erste Band stark überarbeitet neu aufgelegt: Es kamen weitere Märchen hinzu, etwa ein Viertel der Geschichten wurde gestrichen und fast die Hälfte der verbliebenen Märchen überarbeitet, häufig um die als anstößig empfundenen erotischen Anspielungen zu beseitigen.


„…die Behauptung, die meisten Grimmschen Märchen gingen direkt auf Erzählungen alter Bäuerinnen und einsiedlerischer Köhler und Hirten zurück, bleibt unhaltbar. Heute wissen wir, dass die Grimms nicht Volksmärchen gesammelt haben, sondern dass die Märchen vor allem in gebildeten Schichten von jungen Frauen erzählt wurden und sich oftmals aus französischen Quellen speisten.“


                       Die Brüder Grimm bei der Märchenfrau, ca. 1894


Ab 1823 wurde eine illustrierte englische Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen veröffentlicht. Bereits zu Lebzeiten der Brüder erschienen sieben Auflagen der großen deutschen Ausgabe der Märchen und zehn Auflagen der kleinen Ausgabe.



In den Jahren 1816 und 1818 erschienen die beiden Bände einer Sagensammlung (Deutsche Sagen), die allerdings nicht den breiten Erfolg hatte wie ihre Märchensammlung. Die Brüder hatten zuvor gleichermaßen Märchen und Sagen gesammelt.




Eine weitere herausragende Leistung von Wilhelm Grimm ist Die deutsche Heldensage, eine Schrift, die nicht nur eine Sammlung von Sagen vom 6. bis zum 16. Jahrhundert darstellt, sondern wertvolle Aufsätze zu Stoffen, ihrer Geschichte und der künstlerischen Verarbeitung enthält.



Eine weitere herausragende Leistung von Wilhelm Grimm ist Die deutsche Heldensage, eine Schrift, die nicht nur eine Sammlung von Sagen vom 6. bis zum 16. Jahrhundert darstellt, sondern wertvolle Aufsätze zu Stoffen, ihrer Geschichte und der künstlerischen Verarbeitung enthält.


Ohne Förderer und Gönner hätten die Brüder Grimm über Jahre nicht in diesem Maße publizieren können. Aus der frühen Zeit sei hier Kurfürstin Wilhelmine Karoline von Hessen genannt. Nach deren Tod 1820 bzw. dem Tod des Kurfürsten 1821 mussten die Brüder das Haus in der Wilhelmshöher Straße räumen und gemeinsam mit ihrer Schwester Lotte eine schlechtere Wohnung beziehen. 



                  Prinzessin Wilhelmine Karoline von Dänemark, spätere Kurfürstin von Hessen


Lotte Grimm, die den Brüdern bislang den Haushalt geführt hatte, heiratete wenig später den mit der Familie befreundeten Juristen und späteren kurhessischen Minister Ludwig Hassenpflug (1794–1862) und verließ die Brüder, die fortan mehrfach die Wohnungen wechselten und jahrelang einen gemeinsamen Junggesellenhaushalt führten.


                     Ludwig Hassenpflug auf einem Gemälde Ludwig Emil Grimms, 1818


Jacob Grimm wollte vielmehr „ein historisches Leben mit allem Fluß freudiger Entwickelung in sie zaubern“. Das umfangreiche Werk bezieht sich auf sämtliche germanische Sprachen, ihre Zusammenhänge und ihre geschichtliche Entwicklung.

                                                                  Familie Grimm

Jacob Grimm stellte kein vollständiges Manuskript fertig, sondern ließ Druckbogen für Druckbogen drucken, sobald er die benötigte Menge Text geschrieben hatte. Der Druck des ersten Bandes entsprach mit einer Zeitdauer von 14 Monaten ab Januar 1818 bis Sommer 1819 genau dem Zeitraum, in dem Jacob Grimm an dem Werk gearbeitet hat. 



     Museum Brüder Grimm-Haus | Brüder-Grimm-Stadt Steinau an der Straße

Bis 1822 überarbeitete er den ersten Band nochmals komplett, so dass dieser nun eher die Lautbildung zum Inhalt hatte. Wie zuvor beim ersten Band schrieb und druckte er wieder Druckbogen für Druckbogen und führte dieses Prinzip auch bis 1826 mit dem nun erst offiziell zweiten Band der Deutschen Grammatik fort.



1816 übersetzte Jacob Grimm die serbische Grammatik seines Freundes Vuk Stefanović Karadžić und versah sie mit einer Einführung in slawische Sprachen und ihre Literatur. Wilhelm Grimm hatte inzwischen mehrere Bücher über Runen veröffentlicht, sein von ihm selbst als Hauptwerk betrachtetes Buch Die deutsche Heldensage erschien 1829. 


                                             Vuk Stefanović Karadžić um 1850

Gleichfalls bahnbrechend war Jacob Grimms Studie Deutsche Rechtsaltertümer (1828), in der er sich nicht mit Gesetzesvorschriften, sondern mit mittelalterlicher Rechtspraxis und Rechtsanschauung befasste.



Erst als Wilhelm Grimm im Mai 1825 Dorothea Wild geheiratet hatte, festigten sich die Lebensumstände der Brüder wieder, die weiterhin, nun zu dritt, zusammenlebten. Wilhelm und „Dortchen“ Grimm wurden alsbald Kinder geboren: Herman Grimm (1828–1901), Rudolf Grimm (1830–1889) und Auguste Grimm (1832–1919). Es wird auch von häufigen Reisen der Grimm-Brüder berichtet.



                                                          Herman Grimm (1883)

In diesem untersuchte er vorchristliche Glaubensvorstellungen und Aberglauben und stellte sie klassischer Mythologie und christlichen Legenden gegenüber. Auch dieses Werk hatte enormen Einfluss – dieses Mal auf die Mythenforschung. Die dritte Auflage der Kinder- und Hausmärchen wurde 1837 von Wilhelm Grimm beinahe allein besorgt. 1838 begannen Jacob und Wilhelm Grimm ihre gemeinsame Arbeit am Deutschen Wörterbuch.



Wie früher schon widmete Jacob Grimm sich auch in dieser Zeit der Namenkunde: Er schrieb über die germanischen Göttinnen Tanfana und Freia, die thrakische Göttin Bendis und ihre Namen, über hessische Ortsnamen.


In politischer Hinsicht arbeiteten die Brüder Grimm mit darauf hin, die damaligen deutschen Kleinstaaten zu vereinen, sowohl indirekt durch die Erforschung der deutschen Kulturgeschichte als auch direkt durch politische Aktivitäten, von politischer Publizistik bis zu Jacob Grimms Tätigkeit als Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung 1848.


                    Ludwig von Elliott: Sitzung der Nationalversammlung im Juni 1848 


Jacob und Wilhelm Grimm halfen mit, die Menschenrechte in Deutschland zu formulieren. Für eine Streitschrift gegen einen Verfassungsbruch des Königs von Hannover, König Ernst August I., wurden sie, und mit ihnen fünf andere Professoren, entlassen und Jacob Grimm des Landes verwiesen (Göttinger Sieben).




                                                                  Ernst August I. (um 1842)

Während die Brüder Grimm ohne Anstellung waren, unterbreiteten die Leipziger Verleger Karl Reimer und Salomon Hirzel ihnen den Vorschlag für das Deutsche Wörterbuch, „den Grimm“, der ohne die Göttinger Entlassung so nicht entstanden wäre.



                                                                    Salomon Hirzel


Sie konzipierten das Wörterbuch als Sammlung sämtlicher Wörter aus der Zeit „von Luther bis Goethe“, die weniger ein Regelwerk als vielmehr eine Entwicklungsgeschichte der Wörter sein sollte.




Für das Großprojekt des Wörterbuchs mussten die Brüder Grimm eigene Pläne und laufende Arbeiten zurückstellen, was ein Grundproblem ihrer letzten beiden Lebensjahrzehnte werden sollte.



                                                  Charlotte Grimm in Kassel

Drei Jahre lang lebten die Grimms in Kassel im Exil und ohne Anstellung, obwohl sich verschiedene Anstalten im In- und Ausland um sie bemühten, bevor der neue preußische König Friedrich Wilhelm IV. sie unmittelbar nach seiner Amtsübernahme 1840 nach Berlin holte.


                                                             Friedrich Wilhelm IV. von Preußen


Rund zwanzig Jahre lang lebten sie dort, nunmehr unbelastet von finanziellen Unsicherheiten.



Grab Brüder Grimm in Berlin-Schöneberg 2016 mit neuem Gedenkstein für Auguste Grimm

Wilhelm Grimm verstarb 1859, sein Bruder Jacob 1863. Sie liegen auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg. Die Grabstätte gehört zu den Ehrengräbern des Landes Berlin. Links neben den beiden Grabdenkmälern sind die Grabstätten von Wilhelm Grimms Söhnen Herman und Rudolf. 



Die sterblichen Überreste der Tochter Auguste Grimm sind ohne Grabinschrift 1919 in einer Urne im Grab ihres Vaters Wilhelm beigesetzt worden. Der gemeinnützige Förderverein EFEU e. V. hat im Juni 2016 einen Grab- bzw. Gedenkstein für Auguste, ihre Mutter Henriette Dorothea sowie weitere Frauen der Familie Grimm durch Spenden realisiert.



Den Nachlass mit Schriftstücken und auch Möbeln der Familie vererbte Auguste Grimm, die nie geheiratet hatte, ihrer Nichte Albertine Plock (1881–1974), geborene Österreich, der unehelichen Tochter von Rudolf Grimm. Diese spendete alles 1963 der Sammlung im Museum Haldensleben.



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