Ehrenhafter Sex,
teuflischer Sex
Liest man eine Sittengeschichte über das Mittelalter,
stellt sich einem ein sehr widersprüchliches Bild der Sexualmoral dar. Auf der
einen Seite versuchte die Kirche vehement die Keuschheit ihrer Mitglieder durch
zusetzten und die Fleischeslust als Sünde zu sehen. Viele unbescholtene Frauen
rückten
durch die beginnende Inquisition ins Zwielicht und auf der anderen Seite
trieben das Minnewesen, die Rittermoral sowie auch die öffentliche Prostitution
ungeheure Blüten.
Rittermoral: der gesellschaftsfähige
Ehebruch
Das ganze
Feudalsystem des Frühmittelalters beruhte auf dem Prinzip der Treue:
Lehenstreuegegenüber dem Lehnsherrn, eheliche Treue innerhalb der Familie. Doch
unter gewissen Bedingungen und in bestimmten Schichten war der Treuebruch
geradezu gesellschaftsfähig. Ein erfahrener Ritter hatte ebenso seine
außerehelichen“ Erfahrungen“, ja musste sie sogar haben, um in die
Rittergesellschaft zu bestehen. Gingen die Ritter jahrelang auf Kreuz- und
Kriegszug war es ganz selbstverständlich, dass tausende von Kurtisanen die Züge
begleiteten. Auf der anderen Seite wurde die hohe Minne gepflegt, wonach
fahrende Ritter um die Gunst einer erwählten Hofherrin buhlten- mit dem
sicheren Ziel, mit ihr ins Bett zu gehen. Sich eine höher gestellte“ Herzdame“
zu wählen, gehörte zum guten gesellschaftlichen Ton. Es wäre geradezu
ehrenrührig gewesen, diese sexuellen Beziehungen mit Hexenkult oder Teufelei in
Verbindung zu bringen. Die Kirche duldete diese ehebrecherischen Verhältnisse
und unterstrich damit die gesellschaftliche Aussage der Minne: Höheren
Schichten ist mehr erlaubt als niedrigen. Die Ehemoral lockert sich unter der Minneerotik.
Als schließlich im Spätmittelalter sich das Feudalsystem auflöste, wandelte
sich der Minnedienst in die so genannten Tunierkünste, bei denen nicht mehr die
sexuelle Vereinigung das Ziel war, sondern eher der rituelle Gunstbeweis, wie
einen Handschuh oder eine Feder er Burgherrin zu erlangen.
Liebesdiener,
Ritterliebe
Ritterorden
werden gegründet, die eine abstrakte Frauengestalt verehren. An den
Europäischen Fürstentümern entstehen Liebeshöfe. Dort diskutierten
ausschließlich Männer über die Liebe. Der Pariser Liebeshof zählte im Jahre
1400 sechshundert Mitglieder. Neben dem klassischen Frauendienst, nämlich
Frauen zu verteidigen, werden Dichterlesungen und Bankette abgehalten und
amoureuse Abenteuer besprochen. Diese frühen Männerclubs geben die Dekandenz
des Adels wieder. Als sich allmählich die Pforten dieser Einrichtungen auch für
Bürgerliche öffnen, versuchen diese zwar anfänglich mitzuhalten. Aber
letztendlich erweist sich das Bürgertum als Bollwerk der Moral. In Gedanken ist
der Ehebruch ganz schön, doch in der Realität verteidigte der bürgerliche Mann
die Ehre seiner Frau weit strenger als jeder Schlossherr. Die Eifersucht tut
ein Übriges und so kommt ein scheußliches Instrument zu Einsatz:
Während
Geschäftsreisen oder Kriegszügen muss die Frau den Keuschheitsgürtel tragen.
Männer wachen über die
Moral der Frauen
Das auch als
Florentiner Gürtel bezeichnete Marterwerkzeug, das seinen gedanklichen Ursprung
bei Homer hat, der es in seiner Odyssee beschrieb, setzte sich innerhalb der
bürgerlichen Gesellschaft durch und war im 15. Und 16. Jahrhundert in ganz
Europa verbreitet. In Spanien hat sich der Keuschheitsgürtel bis ins 19.
Jahrhundert halten. Die Männer fühlten sich sicherer, wenn sie ihren
Sexualbesitz verschlossen wussten. Vielleicht stellte ja, so grausam es klang,
der Keuschheitsgürtel auch eine Barriere dar, um den Teufel keine Chance zu
geben? Deutlich sind nur die Kluften zu erkennen, die zwischen den
Gesellschaften bestehen. Am ärgsten sind wie so oft die Armen dran, die weder durch
besondere Standesethik noch durch mechanische Hindernisse einen moralischen
Schutz genießen. Sie trifft die Hexenverfolgung auch als Erste.
Also im Wesendlichen hat sich nicht viel verändert!
AntwortenLöschenDa geb ich dir Recht
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