👦Die Rheinlandbastarde (Kinder NS-Zeit)
Rheinlandbastard ist eine abwertende Bezeichnung, die in Deutschland seit dem Ende des Ersten Weltkrieges bis zur Zeit des Nationalsozialismus für Kinder verwendet wurde, die einen schwarzen Vater und eine weiße Mutter hatten. Bastard ist eine alte (fast nur noch als Schimpfwort verwendete) Bezeichnung für ein uneheliches Kind, häufig das Kind einer ledigen Mutter.
Die Bezeichnung Rheinlandbastard stammt aus der Zeit, als französische Truppen das Rheinland besetzten. Einige dieser Truppen stammten aus den Kolonien Frankreichs in Afrika und durch Verbindungen mit einheimischen Frauen wurden afrikanisch-deutsche Kinder geboren, die, ebenso wie ihre Mütter, erheblicher Diskriminierung durch die deutsche Bevölkerung ausgesetzt waren.
Die meisten Schwarzen in Deutschland waren in dieser Zeit jedoch Kinder der deutschen Kolonisten in Afrika, die Kinder mit einheimischen Frauen hatten. Mit dem Verlust der Kolonien nach dem Ersten Weltkrieg – geregelt im Friedensvertrag von Versailles – kamen einige der Kolonisten mit ihren Familien nach Deutschland.
In Mein Kampf beschrieb Adolf Hitler die französische Stationierung von „Negerhorden“ im Rheinland als eine gezielte Strategie von „Juden“, durch die „dadurch zwangsläufig eintretende Bastardisierung, die ihnen verhasste weiße Rasse zu zerstören, von ihrer kulturellen und politischen Höhe zu stürzen und selber zu ihren Herren aufzusteigen“.
Von Westen her droht für Hitler ein gewaltiges, geschlossenes Siedlungsgebiet vom Rhein bis zum Kongo, … erfüllt von einer aus dauernder Bastardisierung langsam sich bildenden niederen Rasse. Alfred Rosenberg schrieb im Mythos des 20. Jahrhunderts:
Zwangssterilisierung:
In der nationalsozialistischen Rassentheorie wurden solche „Mischprodukte“ als „faulige Bastardbrut“
noch negativer beurteilt als die „gesunden, wenn auch primitiven und
tief stehenden Menschenkinder“ „unvermischter“ Bevölkerung
Schwarzafrikas, vor allem aber wurden sie als Schwächung und Gefährdung
der „germanischen Rasse“ gesehen und daraus die staatliche Pflicht
abgeleitet, „einer weiteren Bastardisierung grundsätzlich Einhalt“ zu
gebieten.
Dennoch wurden keine amtlichen Gesetze gegen die schwarze Bevölkerung oder gegen die Kinder der „Mischabstammung“ verordnet. Jedoch wurde eine inoffizielle Gruppe, die „Sonderkommission 3“, eingesetzt, um das „Problem der Rheinlandbastarde“ zu „beheben“. Organisiert von Eugen Fischer und unter Beteiligung von Fritz Lenz wurde beschlossen, diese Kinder zu sterilisieren.
Die Umsetzung des Programms begann 1937, indem lokale Beamte angewiesen wurden, über alle „Rheinlandbastarde“ unter ihrer Verwaltung zu berichten. Insgesamt wurden etwa 400 Kinder mit erfasster „Mischabstammung“ zwangssterilisiert. Manche Historiker gehen auch von bis zu 800 Betroffenen aus. Da diese Sterilisierungen im Unterschied zu anderen Sterilisierungsprogrammen der Nationalsozialisten keine gesetzliche Grundlage hatten, waren sie auch damals schon illegal.
Vor dem Landgericht Saarbrücken begann im August 1947 ein Strafprozess gegen drei Ärzte wegen „eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit gemäß dem alliierten Kontrollratsgesetz Nr. 10 (KRG 10) von 1945“. Der Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung mit anschließendem Verlust der Zeugungsfähigkeit, der den Ärzten in der Anklage zur Last gelegt wurde, lag schon ein Jahrzehnt zurück.
Zur Tatzeit 1937 war die Zwangssterilisation von Kindern deutscher Frauen und afrikanischer Besatzungssoldaten aus der Zeit der Rheinlandbesetzung nach dem Ersten Weltkrieg (1918–1926), den sogenannten „Rheinlandbastarden“, nach dem Gesetz nicht zulässig und rein „rassenhygienisch“ und „erbbiologisch“ begründet.
Angeklagt waren auf der Befehlsebene zwei ehemalige hohe Medizinalbeamte und Multifunktionäre des NS-Staates, Obermedizinalrat (OMR) Dr. med. Horst Friedel und OMR Dr. med. Max Obé, und auf der Ebene der Ausführenden der NS-konforme Chefarzt der Frauenklinik am Bürgerhospital Saarbrücken, Dr. med. Karl H. Kiefer. Friedel und Obé bezichtigten sich im Verlauf des Prozesses gegenseitig, federführend die Zwangssterilisationen der „Besatzungsmischlinge“ im Saarland vorbereitet, organisiert und überwacht zu haben.
Hierzu ein Zitat von Friedel aus den Prozessakten: „1937 erhielt ich von einem Dienstvorgesetzten Dr. Obé den Auftrag, sogenannte Rheinlandbastarde ärztlich zu untersuchen. Es handelte sich hierbei um Personen, die aus einem Geschlechtsverkehr zwischen deutschen Mädchen und Mitgliedern ausländischer Besatzungstruppen artfremden Blutes stammten und die deutsche Staatsangehörige waren. Diese Bastarde sollten aufgrund eines Führerbefehls sterilisiert werden; die Durchführung lag dem Innenministerium ob.
Für diese Sterilisation war erforderlich, den Gesundheitszustand der betreffenden Personen zuvor festzustellen, um jederzeit nachweisen zu können, ob durch die Operation eine Gesundheitsbeschädigung stattgefunden hatte oder nicht. . . . An wie vielen Sitzungen der Kommission ich teilgenommen habe, kann ich nicht sagen.“
Obé habe in seiner Aussage während des Prozesses bestritten, Friedel einen derartigen Auftrag erteilt zu haben, wird in den Prozessakten ausgeführt. „Dr. Obé bestreitet jedoch, einen derartigen Auftrag erteilt zu haben. Er räumt jedoch ein, dass es nicht völlig ausgeschlossen sei, dass er damals durch seinen Vorgesetzten aufgefordert wurde, den Angeschuldigten Dr. Friedel zwecks Teilnahme an einer Kommission zur Untersuchung von sogenannten, Rheinlandkindern‘zu benennen.“
Streng geheimer Führerbefehl
Im
Frühjahr 1937 ordnete der Reichsminister des Innern auf der Grundlage
eines streng geheimen „Führerbefehls“ von Adolf Hitler (vom 18. April
1937, nochmals bestätigt am 7. Mai 1937 nach einem Einspruch des
Auswärtigen Amtes) die Sterilisation der sogenannten „Rheinlandbastarde“
im Rahmen einer geheimen Sonderaktion der Gestapo an.
Daraufhin wurde für diesen Auftrag bei der Gestapo in Berlin die „Sonderkommission 3“ gebildet, der vom Reichsministerium des Innern alle vorliegenden Unterlagen zu den betroffenen Kindern zur Verfügung gestellt wurden. Mit der „erbbiologischen Bestandsaufnahme“ der gesamten reichsdeutschen Bevölkerung war bereits 1933 begonnen worden.
Fehlende Unterlagen, wie etwa Vormundschaftakten, waren bei den zuständigen Amtsgerichten angefordert worden. Nach dem Abschluss der streng geheimen Aktion sollten alle Akten im Reichsministerium des Innern zusammenlaufen und keine auf der unteren Ebene zurückbleiben.
Im Reichsgebiet bildete man drei Kommissionen, die von Beamten der Gestapo geleitet wurden und die über die durchzuführende Sterilisation im Einzelfall entscheiden sollten. Neben zwei ärztlichen Mitgliedern, einem Protokollführer und einem Fotografen gehörten den Kommissionen „anthropologische Gutachter“ an, die Gutachten über die „rassische“ Zugehörigkeit der Kinder anfertigen sollten.
Zu diesen Gutachtern gehörten Wissenschaftler wie Prof. Dr. med. Eugen Fischer, Prof. Dr. Wolfgang Abel, Prof. Dr. Herbert Göllner und Dr. Engelhard Bühler vom „Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik“ (KWI) in Berlin-Dahlem, die auch Blut- und Haarproben von den Sterilisierten in Berlin untersuchten. Die Kommission I hatte ihren Sitz in Wiesbaden, die Kommission II in Ludwigshafen und die Kommission III in Koblenz.
Mit der Vorbereitung und Organisation der Sterilisation der saarländischen „farbigen Bastarde“ wurde der Leiter der „erbbiologischen Landeszentrale“ des Saarlandes mit Sitz in Saarbrücken, MR Dr. med. Horst Friedel, betraut. Unterstellt war er Regierungsdirektor OMR Dr. med. Max Obé, dem höchsten Medizinalbeamten des Saarlandes. Horst Friedel sollte im Auftrag der NSDAP eine „einheitliche und weltanschauungsmäßig richtig liegende Bearbeitung dieser Aufgaben“ im Saarland gewährleisten.
Im Rahmen dieser Tätigkeit leitete er auch den „Sonderauftrag des Reichsministers des Innern für die Sterilisierung der Besatzungsmischlinge des Saarlandes“ unter Einbeziehung sämtlicher Amtsärzte, Gesundheitsämter, Wohlfahrtsämter, Landräte, Bürgermeister, Polizeidienststellen und Standesämter des Saarlandes.
Bereits im November 1936 wurden von der „erbbiologischen Landeszentrale“ alle Landräte des Saarlandes „zur Erfassung der ‚farbigen Bastarde‘, die aus der Zeit der fremdländischen Besatzung des Saarlandes stammen“, angeschrieben. Auf diese Tätigkeit war Horst Friedel in der 1935 gegründeten „Führerschule der deutschen Ärzteschaft“ in Alt-Rehse und in der 1933 gegründeten und für alle Amtsärzte des NS-Staates verpflichtenden „Staats medizinischen Akademie“ in Berlin-Charlottenburg vorbereitet worden.
Bei der Beurteilung des geistigen und seelischen Zustandes der erfassten „Besatzungsmischlinge“ durch die Amtsärzte sollten „alle etwaigen Anzeichen der Minderwertigkeit“ beim Gesundheitsamt dokumentiert werden. Von jedem „Besatzungsmischling“ wurden drei Lichtbilder der Größe 6 x 9 oder 9 x 12 cm angefertigt, die den unbekleideten Oberkörper von vorne und seitlich erkennen ließen, um die „eventuellen fremdrassigen Merkmale“ besser sehen und dokumentieren zu können.
Durchführung unter Zwang
Die
Gesamtzahl der im Saarland erfassten, begutachteten und dann
zwangssterilisierten Personen ist nicht bekannt. Es gibt aber aus dem
Jahr 1936 verschiedene Meldelisten der Landräte des Saarlandes (Kreis
Saarbrücken-Land und Kreis St. Ingbert) an die „Erbbiologische
Landeszentrale“ des Saarlands, in denen Name, Geburtsdatum und teilweise
Eltern der dort registrierten „Besatzungsmischlinge“ vermerkt sind.
Diese Listen werden ergänzt durch die Angaben zur Identität der
Zwangssterilisierten aus den Strafprozessakten vom Landgericht
Saarbrücken aus dem Jahr 1947.
In diesen Prozessakten ist auch eine auszugsweise Abschrift des Operationsbuches der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung des Bürgerhospitals Saarbrücken von 1937 enthalten, in denen fünf Sterilisationen von weiblichen „Besatzungsmischlingen“ zwischen Juni und September 1937 dokumentiert sind. Dokumentiert sind darin auch die Dauer der Operation, der Operateur, die Operationstechnik und die Methode der Narkose. Insgesamt konnten die Namen von 18 im Saarland erfassten „Besatzungsmischlingen“ (fünf davon männlich) recherchiert werden.
Die „Besatzungsmischlinge“ wurden 1937 gemeinsam mit ihren Müttern in das speziell für diesen Tag wegen Geheimhaltung geräumte Gesundheitsamt Saarbrücken einbestellt und von den dazu bestimmten Mitgliedern der Kommission II ärztlich untersucht und begutachtet, anthropologisch vermessen und fotografiert.
Schon kurz nach der Untersuchung wurden die Betroffenen gegen ihren Willen in einem Fahrzeug der Gestapo Saarbrücken, das vor dem Gesundheitsamt bereitstand, zum Bürgerhospital in Saarbrücken gebracht, wo für sie in Absprache mit dem ärztlichen Direktor und unter Umgehung der Krankenhausverwaltung im Keller ein vergittertes Krankenzimmer eingerichtet war. Vor diesem Zimmer hielt ein Kriminalbeamter Wache.
Die Zwangssterilisationen wurden meist am nächsten Tag von den Ärzten des Bürgerhospitals durchgeführt; diese führten bereits seit 1935 die Zwangssterilisationen und Zwangsabtreibungen nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ („Erbgesundheitsgesetz“) vom 14. Juli 1933 aus.
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