Opfer der NS-Psychiatrie in Waldniel-Hostert
Die Gedenkstätte erinnert an die mehr als 500 geistig kranken und behinderten Menschen, Kinder und Erwachsene, die in den Jahren 1939 bis 1945 in der „Abteilung Waldniel“ starben.
Sie wurde 1909 als St. Josefsheim von den Franziskanern errichtet. Im Dezember 1941 wurde die „Kinderfachabteilung“ Waldniel in der Anstalt eingerichtet. Hier wurden körperlich oder geistig behinderte Kinder und Jugendliche im Rahmen der sogenannten „Kinder-Euthanasie“ gequält, und über 100 von ihnen wurden ermordet.
St. Josefsheim 1909–1937
Die Anlage wurde 1909 bis 1913 durch den Franziskanerorden gebaut und bis 1937 als Heim und Arbeitsstätte von den Franziskanern von Waldbreitbach für bis zu 600 männliche geistig und körperlich Behinderte betrieben. Sie umfasste Kirche, Verwaltungstrakt, Schule, Wohnblöcke, zahlreiche Werkstätten und einen Bauernhof zur Selbstversorgung.
1936 wurde der Franziskanerorden wegen Devisenvergehen zu hohen Geldstrafen verurteilt und die Sittlichkeitsprozesse gegen Ordensangehörige und Priester im Nationalsozialismus trafen auch Brüder aus Waldniel. Schließlich musste der Orden Konkurs anmelden und Waldniel verlassen.
Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Waldniel
Nach der Auflösung des St. Josefsheims wurde die Anlage 1937 aus der Konkursmasse durch den Provinzialverband der Rheinprovinz, heute der Landschaftsverband Rheinland (LVR), für 600.000 Reichsmark erworben und als Teilanstalt der Heil- und Pflegeanstalt Süchteln-Johannistal mit 870 Betten weitergeführt.
Durch die drastische Senkung der Tagesverpflegungssätze und die daraus folgende Mangelernährung sowie ungenügende Heizung und Hygiene stiegen die Sterbezahlen in allen Anstalten an.
Im August 1941 stimmte der Landeshauptmann der Rheinprovinz Heinz Haake der Forderung des „reichsausschusses zur wissenschaftlichen erfassung von erb- und anlagebedingten schweren leiden“ unter Viktor Brack, Hans Hefelmann und Richard von Hegener nach einer „Kinderfachabteilung“ zu.
Viktor Brack
Im Gebäude des ehemaligen „Schutzengelhauses“ der Franziskaner wurde eine sogenannte Kinderfachabteilung mit ca. 220 Betten eingerichtet, die am 16. Dezember 1941 mit den ersten aus der Einrichtung Gangelt verlegten Kindern belegt wurde. Verantwortlicher Arzt war zu Beginn Georg Renno.
Georg Rennor
Die Kinder wurden teilweise aus anderen Einrichtungen ohne Einverständnis oder Benachrichtigung der Eltern nach Waldniel verlegt. So wurden am 8. März 1942 zwölf Kinder aus dem Franz Sales Haus eingewiesen, und 1943 62 Kinder und Jugendliche aus Bonn, von denen einige dort oder nach ihrer Weiterverlegung in anderen Kinderfachabteilungen starben.
In den Jahren 1942/43 wurden mindestens 30 geistig behinderte Kinder durch die Verabreichung von Luminal getötet. Andere Kinder ließ man über Monate langsam verhungern. In den Todesbescheinigungen der etwa 100 getöteten Kinder wurde fälschlich Auszehrung, Lungenentzündung oder Herz-Kreislaufschwäche als Diagnose eingetragen.
Während des Bestehens der „Kinderfachabteilung“ Waldniel starben zwei Kinder und Jugendliche in der Tätigkeitszeit von Renno, 91 in der von Wesse und sechs in der von Hildegard Wesse.
Mit der Auflösung der Einrichtung im Juli 1943 wurden die verbliebenen 183 Kinder in fünf andere „Fachabteilungen“ nach Görden, Uchtspringe, Lüneburg, Ueckermünde und Ansbach transportiert.
Ein großer Teil der Verantwortlichen der rheinischen „Kindereuthanasie“ – Personal von Gesundheitsverwaltung und Kliniken – wurden auch nach Kriegsende nicht belangt, nur der Psychiater Hermann Wesse wurde 1948 im Düsseldorfer Euthanasieprozess wegen der Waldnieler Kindermorde verurteilt.
Prozess
Weitere Nutzung
Ab Mitte 1943 bis zum 1. März 1945 wurden die Gebäude als Ausweichkrankenhaus für das Städtische Krankenhaus Rheydt benutzt. In den darauffolgenden Jahren dienten sie unter anderem als Erziehungsheime.
Im Schutzengelhaus („Kinderfachabteilung“) befanden sich zunächst die Volksschule für die umliegenden Honschaften, ein Provinzial-Erziehungsheim für Jungen, später auch ein Caritas-Heim für schulentlassene Mädchen, von 1950 bis 1955 ein Heim für etwa 50 schulpflichtige Jungen („Erziehungsheim Hostert“).
Anfang 1946 befand sich in einem der Gebäude ein Provinzial-Altersheim für 170 Männer mit Demenz oder Schizophrenie sowie 200 weitere Patienten.
Etwa 1951 beschlagnahmten die Briten einen Großteil der Gebäude als Lazarett. 1952 konnten die Gebäude vom Orden der Franziskaner zu einem angemessenen Preis zurückerworben, aber nur zum Teil genutzt werden, weil die meisten Gebäude von den Briten beschlagnahmt blieben.
Der Friedhofsplan der Franziskaner ist erhalten (Pfarrarchiv St. Matthias). Er zeigt die „Anordnung der Gräber auf dem Friedhof des St. Josefsheims“. Die letzte Bestattung, Grab-Nr. 300, erfolgte im Dezember 1936.
Unter der Provinzialverwaltung, Stempel oben rechts, wurden die Gräber nicht mehr in Tusche eingetragen, sondern in Bleistift. Für die Zeit nach dem 23. März 1941, Grab-Nr. 441, existiert kein Plan. Genaue Lagebestimmungen einzelner Gräber sind deshalb für den Zeitraum bis 1951 nicht möglich. Hinzu kommt, dass es, wie verschiedene Zeitzeugen berichteten, auch Sammelgräber gab.
Kindergräber
Für die kleinen Patienten der „Kinderfachabteilung Waldniel“ gab es ein eigenes Gräberfeld. Hier wurden laut Gräberverzeichnis zwischen dem 27. Januar 1942 und dem 1. August 1943 70 Kinder bestattet. Vermutlich lag es abseits des Friedhofs für die erwachsenen Patienten am nördlichen Rand des bereits erwähnten Sportplatzes.
Als die Oberfinanzdirektion
Düsseldorf nämlich 1956/57 auf dieser Parzelle Einfamilienhäuser für
das britische Militär errichtete, wurde beim Bau der Trinkwasserleitung
dieses Gräberfeld angeschnitten und es wurden Kinderknochen ans
Tageslicht befördert.
Nachdem im Jahr 2012 ein Rohrbruch dort
umfangreiche Erdarbeiten verursacht hatte, fanden die Hauseigentümer bei
Gartenarbeiten vier Knochenstücke.
Die Gerichtsmedizin Duisburg befand, dass es sich um menschliche Überreste handelte und die Liegezeit wegen der Porosität und des geringen Gewichts mindestens fünfzig Jahre betragen hatte. Ein Fragment wurde (Archäologie im Rheinland 2017, S. 199) als das deformierte Hüftbein eines Säuglings identifiziert.
In Waldniel-Hostert gab es von 1940 bis 1943 – ausgerechnet im dem ehemaligen Schutzengelhaus der Franziskaner – eine Abteilung, in der behinderte Kinder getötet wurden. In einigen Fällen konnte man nach dem Krieg den Schwestern und Ärzten nachweisen, dass sie ihre kleinen Patienten ermordet hatten – mit dem Schlaf- und Betäubungsmittel Luminal. Mindestens weitere 30 ermordete Kinder liegen hier begraben.
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