đš Der sechsfach Mord Hinterkaifeck (Bayern)đȘ
Der Einödhof Hinterkaifeck war der Tatort eines bislang nicht aufgeklĂ€rten Mehrfachmordes. Auf dem heute nicht mehr existierenden Anwesen, das 500 m sĂŒdwestlich des Dorfes Gröbern wurden in der Nacht vom 31. MĂ€rz auf den 1. April 1922 alle sechs Bewohner ermordet, indem ihnen mit einer Reuthaue massive Kopfverletzungen beigebracht wurden.
Bei den Getöteten handelte es sich um das Austragsbauernehepaar Andreas (64 Jahre) und CÀzilia (72 Jahre) Gruber, deren verwitwete Tochter Viktoria Gabriel (35 Jahre), deren Kinder CÀzilia (7 Jahre) und Josef (2 Jahre) sowie die Magd Maria Baumgartner (45 Jahre).
Rekonstruktion des Hofes
Die Opfer
1. Viktoria Gabriel
Starb durch 9 Löcher im SchÀdel auf der rechten Seite des Kopfes.
2. CĂ€cilia Gruber
Bei ihr wurden 8 Löcher in der rechten Seite des SchÀdels festgestellt.
Oma in der Mitte
3. Maria Baumgartner
Wurde durch mindestens ein Loch im SchÀdeldach getötet. Wies zusÀtzliche Verletzungen im Gesicht auf (auf der rechten Seite des Kopfes).
4. Josef Gabriel
Starb durch einen einzigen krÀftigen Hieb auf seine rechte SchÀdelhÀlfte.
5. Cilli Gabriel
1 Loch von der Reuthaue in der rechten GesichtshĂ€lfte. ZusĂ€tzlich wurde dem Kind mit einem Bandeisen der Mund und der Kiefer zertrĂŒmmert, um es zum Schweigen zu bringen. Die tödliche Verletzung wurde ihr mit einem Taschenmesser (Kehle aufgeschlitzt) zugefĂŒgt. Das Taschenmesser, welches zusammen mit dem Bandeisen oben auf dem Heuboden versteckt wurde, gehörte Andreas Gruber.
Der
ungeklÀrte Sechsfachmord gehört deutschlandweit zu den bekanntesten
KriminalfĂ€llen und stöĂt noch heute aufgrund der auĂergewöhnlichen
UmstĂ€nde der Tat auf reges Interesse in der Ăffentlichkeit.
Der Wachhund
Der Hof Hinterkaifeck wurde um 1863 errichtet, nachdem das Areal zuvor offene Flur gewesen war. Zum Zeitpunkt der Morde bestand die Anlage aus einem eingeschossigen langgestreckten Wohn- und StallgebĂ€ude, an das rechtwinklig ein gröĂerer Scheunentrakt (der Stadel) angeschlossen war.
Auf den L-förmigen Bau war ein durchgehender hoher Dachboden aufgesetzt. Als sich aufgrund der Bluttat kein Nachnutzer finden konnte. Da spÀter kein neues Anwesen an der Stelle errichtet wurde, ist der Hausname nur noch eine geschichtliche Bezeichnung. Das ehemalige HofgelÀnde von Hinterkaifeck ist heute eine landwirtschaftliche NutzflÀche, Spuren der Bebauung sind nicht mehr erkennbar.
Gedenkstein auf dem Friedhof von Waidhofen
Tatgeschehen
Geschehnisse vor der Tat
Bereits einige Zeit vor der Tat hĂ€uften sich merkwĂŒrdige Vorkommnisse in und um Hinterkaifeck: So wurde Mitte MĂ€rz 1922 in der NĂ€he von Hinterkaifeck ein Exemplar der MĂŒnchner Zeitung gefunden, die in der Region nicht verbreitet war.
Der Austragsbauer Andreas Gruber glaubte zunÀchst, der Postbote habe die Zeitung verloren, was aber nicht der Fall gewesen sein konnte, da niemand in der nÀheren Umgebung diese Zeitung abonniert hatte.
Andreas Gruber beim Schwein schlachten
Einige Tage vor der Tatnacht entdeckte Gruber zudem im Schnee Spuren, die zum Hof Hinterkaifeck hinfĂŒhrten, aber nicht wieder von ihm weg. Ebenso vermissten die Bewohner der Einöde einen HaustĂŒrschlĂŒssel.
Andreas Gruber
AuĂerdem hatte jemand an der HĂŒtte des Hofes das VorhĂ€ngeschloss aufgebrochen und im Stall ein Rind losgebunden. DarĂŒber hinaus bemerkten die Hinterkaifecker, dass das Anwesen vom Wald aus wiederholt von einem Mann mit Schnauzbart beobachtet wurde. In der Nacht hörten sie auf dem Dachboden ĂŒber ihren SchlafrĂ€umen Schritte, doch Andreas Gruber fand niemanden, als er das GebĂ€ude durchsuchte.
Obwohl er mehreren Menschen von diesen angeblichen Beobachtungen erzĂ€hlte, weigerte er sich, Hilfe von AuĂenstehenden (Nachbarn oder Polizei) anzunehmen. Nach Aussage einer Schulfreundin der siebenjĂ€hrigen CĂ€zilia Gabriel soll diese auch berichtet haben, dass ihre Mutter Viktoria in der Nacht vor der Tat nach einem heftigen Streit vom Hof geflohen und erst Stunden spĂ€ter im Wald aufgefunden worden sein soll. 33 Jahre spĂ€ter behauptete die Schulfreundin dann aber, dass nicht Viktoria Gabriel, sondern CĂ€zilia Gruber geflohen sei.
Tatnacht vom 31. MĂ€rz auf den 1. April 1922
Am Nachmittag des 31. MĂ€rz 1922, einem Freitag, kam die neue Dienstmagd Maria Baumgartner auf dem Hof an. Deren Schwester, die sie dorthin begleitet hatte und den Hof nach einem kurzen Aufenthalt wieder verlieĂ, war mit hoher Wahrscheinlichkeit vor der Tat die letzte Person, die die Bewohner lebend sah. Einige Stunden danach wurden die sechs Morde verĂŒbt. Das genaue Tatgeschehen konnte spĂ€ter nicht zweifelsfrei rekonstruiert werden.
Aufgrund der spĂ€teren Auffindesituation der Opfer gilt als gesichert, dass am spĂ€ten Abend Viktoria Gabriel, CĂ€zilia und Andreas Gruber sowie die siebenjĂ€hrige CĂ€zilia Gabriel nacheinander (vermutlich in der genannten Reihenfolge) in unmittelbarer NĂ€he der ĂbergangstĂŒr vom Stall zur Scheune mit einer vor Ort vom TĂ€ter bzw. von den TĂ€tern vorgefundenen Reuthaue, die zum Hofbestand gehörte, erschlagen wurden.
Bis heute ist ungeklĂ€rt, warum und in welchem zeitlichen Abstand sich die ersten vier Opfer in diesen Teil des Anwesens begeben haben. SpĂ€ter durchgefĂŒhrte Versuche ergaben, dass Schreie aus der Scheune weder in der MĂ€gdekammer noch im Wohn- oder Schlafzimmer zu hören waren. Durch eine Obduktion wurde spĂ€ter nachgewiesen, dass die siebenjĂ€hrige CĂ€zilia, nachdem ihr der SchĂ€del eingeschlagen worden war, noch mindestens zwei Stunden gelebt haben muss.
Mordwaffe
Von der Scheune aus drangen der oder die TĂ€ter durch den Stall in den Wohnbereich ein, wo – mit derselben Tatwaffe – vermutlich zuerst die Dienstmagd Maria Baumgartner in der Magdkammer und zuletzt der zweijĂ€hrige Josef in seinem Stubenwagen im Schlafzimmer seiner Mutter erschlagen wurden.
Entdeckung der Tat
Zwischen dem Tatzeitpunkt und der Entdeckung der Tat vier Tage spĂ€ter mĂŒssen sich der oder die TĂ€ter noch im Haus aufgehalten haben oder zumindest mindestens einmal dorthin zurĂŒckgekehrt sein, da das Vieh versorgt (getrĂ€nkt und gemolken) wurde. AuĂerdem entdeckte die Polizei spĂ€ter, dass der gesamte Brotvorrat aufgebraucht und Fleisch aus der Vorratskammer frisch angeschnitten worden war.
In dem Kinderwagen starb der jĂŒngste
Am 1. April kamen die KaffeeverkĂ€ufer Hans und Eduard Schirovsky in Hinterkaifeck an, um eine Bestellung aufzunehmen. Als niemand auf das Klopfen an der TĂŒr und am Fenster reagierte, gingen sie um den Hof herum, fanden aber niemanden. Ihnen fiel lediglich auf, dass das Tor zum Maschinenhaus offenstand. AnschlieĂend verlieĂen sie den Hof.
Am 1. sowie am 3. und 4. April fehlte CĂ€zilia Gabriel unentschuldigt in der Schule. AuĂerdem fiel auf, dass die Einwohner der Einöde am 2. April nicht am Sonntagsgottesdienst teilnahmen (Pfarrkirche MariĂ€ Reinigung und St. Wendelin in Waidhofen, ein FuĂmarsch von mehr als drei Kilometern, der ĂŒber die BrĂŒcke ĂŒber die Paar fĂŒhrte).
Am Montag, dem 3. April, bemerkte der Postschaffner Josef Mayer, als er nach Hinterkaifeck kam, dass anscheinend niemand auf dem Hof war. Der Monteur Albert Hofner kam am 4. April nach Hinterkaifeck, um dort wie vereinbart den Motor der Futterschneidemaschine zu reparieren.
Josef Mayer
Er gab an, niemanden angetroffen und auĂer dem BrĂŒllen der KĂŒhe und dem Bellen des Hundes nichts gehört zu haben. Nach einer Stunde des Wartens fing er an, den Motor zu reparieren, und war nach etwa viereinhalb Stunden fertig. Als er anschlieĂend noch einmal um den Hof herumging, um doch noch einen der Bewohner anzutreffen, bemerkte er, dass die ScheunentĂŒr offenstand.
Maria Baumgartner ihr Zimmer (Magd)
Ob das Tor bereits bei seiner ersten Umschau oder erst bei der zweiten geöffnet war, konnte er nicht angeben. Hofner schaute zwar in die Scheune, ging aber nicht hinein. In Gröbern traf er die Töchter des OrtsfĂŒhrers Lorenz Schlittenbauer und berichtete ihnen, dass die Reparaturen in Hinterkaifeck erledigt seien.
Schlittenbauer
Hofner berichtete auch Georg Greger, dem BĂŒrgermeister von Wangen, von der gespenstischen Leere auf Hinterkaifeck. Schlittenbauer schickte daraufhin seine beiden Söhne Johann und Josef nach Hinterkaifeck, um nach dem Rechten zu sehen. Als sie berichteten, niemanden gesehen zu haben, drang Schlittenbauer noch am selben Tag mit Michael Pöll und Jakob Sigl in das GebĂ€ude ein, wo sie die gröĂtenteils abgedeckten Leichen entdeckten.
Tatort
Ermittlungen
Polizeiliches Vorgehen
Die ersten Polizisten am Tatort waren Beamte der Gendarmeriestation Hohenwart, die am 4. April gegen 18 Uhr eintrafen. Deren Hauptaufgabe war es, die zahlreichen Schaulustigen, die sich bald nach Bekanntwerden der Morde in Hinterkaifeck einfanden, am Betreten des Tatorts zu hindern.
Kriminaloberkommissar Georg Reingruber
Bei der Polizeidirektion MĂŒnchen ging die Meldung etwa um 18:15 Uhr ein. Unter der Leitung von Kriminaloberinspektor Georg Reingruber machten sich sechs Beamte aus MĂŒnchen, darunter zwei PolizeihundefĂŒhrer, umgehend auf den Weg und kamen um 1:30 Uhr bei BĂŒrgermeister Georg Greger in Wangen an.
Da eine Tatortbegehung bei nĂ€chtlicher Dunkelheit als zwecklos erachtet wurde, begaben sie sich erst um 5:30 Uhr morgens nach Hinterkaifeck und besichtigten zusammen mit der Gerichtskommission aus Schrobenhausen systematisch die dortigen GebĂ€ude. Auf dem Dachboden, der durchgĂ€ngig ĂŒber Wohnhaus, Stall und Scheune verlief, entdeckten die Polizisten, dass der Boden mit Heu bedeckt war, anscheinend um Schritte zu dĂ€mpfen.
AuĂerdem waren einige Dachziegel so verschoben, dass man das gesamte HofgelĂ€nde ĂŒberblicken konnte, und in einem Heuhaufen stellte man zwei Mulden fest, die davon zeugten, dass sich hier Personen befunden haben mussten. Die ersten Vernehmungen fanden im Bauernhaus in der KĂŒche statt.
Mordwaffe
Als Motiv wurde zunĂ€chst Raubmord vermutet, spĂ€ter allerdings zunehmend angezweifelt, da man nicht genau ermitteln konnte, wie viel Geld entwendet wurde. AuĂerdem wurde viel Geld zurĂŒckgelassen, obwohl die TĂ€ter genug Zeit gehabt hĂ€tten, das Haus genau zu durchsuchen.
Bei der Obduktion durch den Neuburger Landgerichtsarzt Johann Baptist AumĂŒller auf einem provisorischen Seziertisch im Hof des Bauernhofes wurden den Leichen die Köpfe abgetrennt. Dabei wurde auch festgestellt, dass sich CĂ€zilia Gabriel in ihrem etwa zweistĂŒndigen Todeskampf bĂŒschelweise die Kopfhaare ausgerissen hatte.
Die Beamten der Mordkommission ermittelten in verschiedenste Richtungen und gingen selbst unwahrscheinlichen Spuren nach. Als Erstes gerieten Vorbestrafte, Hamsterer und Hausierer, die aus der Gegend von Hinterkaifeck stammten oder sich dort herumtrieben, in den Fokus der Polizei.
Bereits am 8. April wurden 100.000 Mark Belohnung fĂŒr Hinweise zum TĂ€ter ausgesetzt. Viele Personen wurden daraufhin verdĂ€chtigt (siehe: TatverdĂ€chtige), und auch viele nicht stichhaltige Hinweise gingen bei der Mordkommission ein, doch die Morde konnten niemandem nachgewiesen werden. Mit den SchĂ€deln der Opfer wurden zudem spiritistische Sitzungen mit Medien durchgefĂŒhrt, die aber ebenfalls kein Ergebnis brachten.
Am 28. Februar 1930 ging Oberinspektor Reingruber in Pension, und im September desselben Jahres ĂŒbernahm Martin Riedmayer (1896–1989) den Fall.
TatverdÀchtige
In die umfangreichen Ermittlungen wurden insgesamt etwa hundert VerdĂ€chtige einbezogen, jedoch kam es in keinem einzigen Fall zu einer Anklage vor Gericht. Nachfolgend sind Personen aufgefĂŒhrt, die von der Polizei und/oder in der Bevölkerung als potenzielle TĂ€ter angesehen wurden, aber weder als Mörder ĂŒberfĂŒhrt noch von der TĂ€terschaft zweifelsfrei ausgeschlossen werden konnten.
Karl Gabriel
Der Tod des im Dezember 1914 wÀhrend des Ersten Weltkriegs gefallenen Ehemanns der JungbÀuerin, Karl Gabriel, wurde in Zweifel gezogen. Dieser soll erfahren haben, dass Viktoria Gabriel nach der gemeinsamen Tochter (CÀzilia) ein uneheliches Kind hatte (Josef), und zwar womöglich mit ihrem eigenen Vater (siehe: Inzest).
Viktoria ca. 13 Jahre
Daraufhin soll er die gesamte Familie erschlagen haben, um Rache zu ĂŒben. Obwohl Soldaten aus seinem Regiment seinen Tod bezeugten, erhielt diese Theorie im Laufe der Jahre neue Nahrung, nachdem immer wieder Personen berichteten, sie seien Gabriel begegnet oder könnten bestĂ€tigen, dass dieser seine IdentitĂ€t mit der eines gefallenen Kameraden vertauscht hatte.
Karl Gabriel ca. 25 Jahre
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs behaupteten unabhĂ€ngig voneinander Kriegsheimkehrer aus der Region um Schrobenhausen, die vorzeitig aus sowjetischer Gefangenschaft entlassen wurden, dass sie von einem bairisch sprechenden sowjetischen Offizier nach Hause geschickt worden seien, der angegeben habe, er sei der Mörder von Hinterkaifeck. Ob es sich dabei um erfundene Geschichten oder wahrheitsgemĂ€Ăe Aussagen handelte, kann heute nicht mehr zweifelsfrei nachgewiesen werden.
Lorenz Schlittenbauer
Lorenz Schlittenbauer war der Ortsvorsteher von Gröbern und galt damals wie heute als einer der HauptverdĂ€chtigen. Er hatte kurz nach dem Tod seiner ersten Frau ein VerhĂ€ltnis mit Viktoria Gabriel und galt ebenfalls als möglicher Vater ihres Sohnes Josef. Nach mehrmaligem Widerrufen erkannte er schlieĂlich die Vaterschaft an, zahlte aber keinen Unterhalt.
Schlittenbauer
Er wurde – auch von der Bevölkerung – als TĂ€ter verdĂ€chtigt, weil er sich durch einige Handlungen und Andeutungen bezĂŒglich der Morde verraten haben soll. Beispielsweise wurde beim Fund der Leichen ein Tor aufgebrochen, weil sĂ€mtliche TĂŒren am Hof verschlossen waren. Nach Auffinden der Toten verlieĂen seine beiden Begleiter schockiert den Stall, wĂ€hrend Schlittenbauer alleine in das Haus weiterging, in dem er sich gut auszukennen schien.
Er schloss dann – fĂŒr die anderen Zeugen deutlich hörbar – die HaustĂŒr von innen mit dem SchlĂŒssel auf. Schlittenbauer gab spĂ€ter an, dieser habe in der TĂŒr gesteckt. Eben jener einzige SchlĂŒssel wurde jedoch von den Opfern kurz vor der Tat vermisst. Des Weiteren wohnte er nur 350 Meter entfernt und hĂ€tte problemlos nicht nur den Hof ausspionieren, sondern sich auch unentdeckt zwischen seinem Anwesen und dem Tatort bewegen können.
SpĂ€ter erzĂ€hlte er merkwĂŒrdige Dinge ĂŒber den Hof beim Stammtisch.
Eingang
in die Akten fand auch eine Begegnung des damaligen Dorflehrers Hans
Yblagger mit Schlittenbauer an den Mauerresten des abgebrochenen Hofes
Hinterkaifeck im Jahr 1925. Der junge Lehrer ĂŒberraschte ihn ĂŒber den
noch vorhandenen Kellereingang gebeugt und war verwundert ĂŒber seine
ausgesprochen schreckhafte und verwirrte Reaktion, als er ihn ansprach.
Heute sieht man nichts mehr
Schlittenbauer erzÀhlte daraufhin von einem angeblichen Versuch des TÀters, die Leichen am Ort ihres Auffindens zu vergraben, was aber aufgrund der Bodenbeschaffenheit nicht möglich gewesen sei. Diese Information hatte vorher weder Schlittenbauer noch ein anderer Zeuge zu Protokoll gegeben.
Vor seinem Tod im Jahre 1941 fĂŒhrte und gewann Schlittenbauer mehrere Zivilklagen wegen ĂŒbler Nachrede gegen Personen, die ihn als „Mörder von Hinterkaifeck“ bezeichneten.
Hof beim Abriss
Josef BĂ€rtl
Der 1897 geborene, aus dem nahen Geisenfeld stammende, angeblich geisteskranke BĂ€cker Josef BĂ€rtl wurde schon bald nach der Tat als Mörder verdĂ€chtigt, da er 1921 aus der Kreis-Heil- und Pflegeanstalt GĂŒnzburg geflohen war. Ihm wurde ob seines Geisteszustands sowie aufgrund seiner vermuteten Beteiligung an einem Mord im Jahre 1919 die Tat zugetraut, und ein Medium hatte ihn bei einer der spiritistischen Sitzungen anhand einer Fotografie als TĂ€ter identifiziert. Zwar gaben immer wieder Zeugen an, BĂ€rtl begegnet zu sein, doch er konnte von der Polizei nie mehr aufgegriffen werden.
BĂ€rtl Josef
GebrĂŒder Gump
Bereits am 9. April 1922 lieĂ Kriminaloberinspektor Georg Reingruber die Fahndung nach Adolf Gump, Wilhelm DreĂel, Wilhelm Musweiler alias Weiland und dem frĂŒheren Kriminalbeamten Friedrich N. alias Fischer ausschreiben.
Adolf Gump
Ferdinand Gump
Alle vier sollen mit dem Freikorps Oberland in Oberschlesien einmarschiert sein und dort an der Ermordung von neun Bauern mitgewirkt haben. Reingruber konnte nicht ausschlieĂen, dass Adolf Gump auch an den Morden in Hinterkaifeck beteiligt war, weswegen er die entsprechenden Gendarmeriestationen anwies, bei einer möglichen Festnahme diesen nach seinem Alibi vom 30. und 31. MĂ€rz sowie vom 1. April 1922 zu fragen.
1951 ermittelte Staatsanwalt Andreas Popp gegen Adolfs Bruder Anton Gump wegen des Verdachtes, dass die beiden BrĂŒder die Morde auf Hinterkaifeck begangen hĂ€tten. Der Verdacht stĂŒtzte sich auf die Anschuldigung der Schwester der beiden.
Andreas Popp
Kreszentia Mayer behauptete auf dem Sterbebett gegenĂŒber dem Priester Anton Hauber, dass ihre beiden BrĂŒder Adolf und Anton die Morde verĂŒbt hĂ€tten. Anton Gump kam infolgedessen in Untersuchungshaft, Adolf war bereits 1944 verstorben. Nach kurzer Zeit wurde Anton allerdings wieder entlassen, und 1954 wurde das Verfahren gegen ihn endgĂŒltig eingestellt, da ihm keine Tatbeteiligung nachgewiesen werden konnte.
Priester Anton Hauber gestorben- 14.05.1969
Die BrĂŒder Karl und Andreas S. aus Sattelberg
Im Jahr 1971 schrieb eine Frau namens Therese T. einen Brief, in dem sie sich auf ein Ereignis in ihrer Jugend berief: Im Alter von zwölf Jahren wurde sie Zeugin, als ihre Mutter Besuch von der Mutter der BrĂŒder Karl und Andreas S. erhielt.
Diese behauptete, ihre Söhne seien die beiden Mörder von Hinterkaifeck. Interessant war die Tatsache, dass die Mutter den Satz „Andreas reute es, dass er sein Taschenmesser verlor“ im Laufe des GesprĂ€chs sagte. TatsĂ€chlich wurde beim Abriss des Hofes im Jahr 1923 ein Taschenmesser gefunden, das niemandem eindeutig zugeordnet werden konnte und dessen Existenz allgemein nicht bekannt war.
Allerdings hÀtte das Messer einem der Mordopfer gehören können. Auch diese Spur wurde ohne Ergebnis verfolgt. Kreszenz Rieger, die ehemalige Magd von Hinterkaifeck, war sich sicher, das Taschenmesser schon in ihrer Dienstzeit auf dem Hof gesehen zu haben.
Peter Weber
Peter Weber wurde von Josef Betz als VerdÀchtiger genannt. Beide arbeiteten im Winter 1919/1920 als Hilfsarbeiter und teilten sich eine Kammer. Laut Betz sprach Weber in der Zeit von einem abgelegenen Hof, nÀmlich Hinterkaifeck.
Weber waren auch die VerhĂ€ltnisse in Hinterkaifeck bekannt. So erzĂ€hlte er, dass dort nur ein altes Ehepaar mit seiner Tochter und deren zwei Kindern wohnte. AuĂerdem wusste er wohl vom Inzest zwischen Gruber und seiner Tochter. Betz sagte in einer Vernehmung aus, dass Weber vorgeschlagen habe, den Alten zu erschlagen, um an das Gold zu kommen. Als Betz nicht auf das Angebot einging, hörte Weber auf darĂŒber zu reden.
GebrĂŒder Bichler und Georg Siegl
Die ehemalige Magd Kreszenz Rieger arbeitete von November 1920 bis ca. September 1921 auf Hinterkaifeck. Sie verdĂ€chtigte die BrĂŒder Anton und Karl Bichler, den Mord begangen zu haben. Anton Bichler soll bei der Kartoffelernte auf Hinterkaifeck mitgeholfen haben und kannte deswegen die RĂ€umlichkeiten. Anton Bichler soll auch öfter neben ihr schlecht ĂŒber die Familien Gruber und Gabriel geredet haben. Von einer alten Dame bekam sie mit, dass Anton gesagt haben soll, dass die Kaifecker alle erschlagen gehören.
Die Magd betonte in ihrer Vernehmung auch ausdrĂŒcklich, dass der Hofhund, der jeden anbellte, bei Anton nie bellte. DarĂŒber hinaus berichtete sie von einer Begegnung mit einem Unbekannten, der nachts vor ihrem Fenster stand und nach einem Wortwechsel wieder ging. Die Magd glaubte, dass es Karl Bichler, der Bruder von Anton, war. Sie sagte auch aus, dass Anton und Karl Bichler den Mord zusammen mit Georg Siegl hĂ€tten begehen können.
Georg Siegl arbeitete eine Zeit lang auf Hinterkaifeck und soll auch ĂŒber das Vermögen der Kaifecker gewusst haben. Dabei soll Siegl Anfang November 1920, wĂ€hrend das Ehepaar Gruber und Viktoria Gabriel auf dem Feld arbeiteten, einen Einbruch auf Hinterkaifeck begangen haben. Er soll durch ein offenes Fenster in das Haus geklettert sein und gerĂ€uchertes Fleisch, Eier, Brot und Kleidung gestohlen haben.
Die Kaifecker hĂ€tten nur noch gesehen, wie Siegl in den Wald flĂŒchtete. Trotz dieser Ereignisse wurde er im September 1921 fĂŒr einige Tage wieder als Knecht eingestellt. Georg Siegl bestritt in einer Vernehmung den Diebstahl und beschuldigte Josef Hartl aus Waidhofen der Tat. In einer spĂ€teren Vernehmung sagte er auĂerdem aus, dass er den Stiel der Reuthaue (Tatwerkzeug des Mordes) selbst geschnitzt hĂ€tte, als er als Knecht auf Hinterkaifeck arbeitete. Die Reuthaue hĂ€tte man damals immer in der Scheunendurchfahrt aufbewahrt.
GebrĂŒder Thaler
Auch die Thaler-BrĂŒder galten nach einer Aussage der ehemaligen Magd Kreszenz Rieger als verdĂ€chtig. Die GebrĂŒder Thaler hĂ€tten vor der Tat in der Umgebung schon mehrere kleine EinbrĂŒche begangen. Zur Kartoffelerntezeit 1921 sollen sich mehrere ungewöhnliche ZwischenfĂ€lle ereignet haben. Josef Thaler soll nachts öfters an ihrem Fenster gestanden haben. Als sie das Fenster einmal öffnete, soll Josef Thaler sie ĂŒber die Gruber- und Gabriel-Familie ausgefragt haben, wobei sie aber keine Antworten auf seine Fragen gab.
Thaler Josef
Im GesprĂ€ch behauptete Josef Thaler, zu wissen, welcher Kaifecker in welchem Zimmer schlief. Des Weiteren gab er an, dass die Kaifecker viel Geld hĂ€tten. Das Geld wĂŒrden sie tagsĂŒber an einem anderen Ort verstecken als nachts. Nach ca. 30 Minuten ging Josef Thaler. Dabei bemerkte die Magd, dass noch eine zweite unbekannte Person in der NĂ€he war.
Nach ihrer Aussage sahen sich Josef Thaler und der Unbekannte das Maschinenhaus an und wandten ihre Blicke nach oben. Die Magd glaubte, dass der Unbekannte Andreas, der Bruder von Josef, sei. Zur gleichen Zeit soll sich auch die TĂŒr der Magdkammer gegen Mitternacht immer wieder von alleine geöffnet haben. Aus Angst kĂŒndigte Kreszenz Rieger dann nach vier Wochen.
Finanzielle Situation
Die Familie Gabriel-Gruber war angeblich wohlhabend. Ihr Vermögen, das seitens Lorenz Schlittenbauer auf 100.000 Mark geschĂ€tzt wurde, war sowohl in Pfandbriefen und Kriegsanleihen als auch in Schmuck, Gold- und SilbermĂŒnzen angelegt. AuĂerdem verfĂŒgte sie ĂŒber ein betrĂ€chtliches Barvermögen. DarĂŒber hinaus besaĂ sie 50 Tagwerk (ca. 17 Hektar) Land und einige StĂŒck Vieh (Rinder, Schweine und HĂŒhner). Als der Mord geschah, war der Neubau des Stalls geplant.
Soziale Situation
Die Bewohner der Einöde lebten zurĂŒckgezogen und galten in der Dorfgemeinschaft Gröbern als geizig. Um Geld zu sparen, beschĂ€ftigten sie – zum Teil illegal und oft nur fĂŒr einige Wochen – unter anderem umherziehende Hilfsarbeiter.
Inzest
Zwischen dem Vater Andreas Gruber und seiner Tochter Viktoria bestand eine inzestuöse Beziehung mindestens seit dem 16. Lebensjahr der Tochter. Deshalb wurden beide 1915 verurteilt – der Vater zu einem Jahr Zuchthaus und die Tochter zu einem Monat GefĂ€ngnis. Einmal wurden die zwei von einer Magd im Heu erwischt.
Andreas und Viktoria
AuĂerdem halten sich GerĂŒchte, dass der 1919 unehelich geborene Josef nicht von Lorenz Schlittenbauer, sondern von Andreas Gruber gezeugt worden sei. Andreas Gruber soll auch versucht haben, eine Ehe zwischen den beiden Verwitweten, Viktoria Gabriel und Lorenz Schlittenbauer, zu verhindern. Daraufhin leugnete Schlittenbauer die Vaterschaft und zeigte Andreas Gruber im September 1919 wegen Blutschande an.
Schlittenbauer
Da Andreas Gruber bereits vorbestraft war, wurde er in Untersuchungshaft genommen. Kurz darauf nahm Schlittenbauer seine Anschuldigungen zurĂŒck und erkannte die Vaterschaft an. Einige Zeit spĂ€ter lehnte er sie allerdings erneut ab und bekrĂ€ftigte seine vorherigen VorwĂŒrfe. Auch aufgrund dieser widersprĂŒchlichen Aussagen kam es schlieĂlich zu keiner weiteren Verurteilung, Gruber war bereits zuvor wieder aus der Haft entlassen worden.
Fund der Tatwaffe
Im Februar 1923 begann Karl Gabriel sen., mit einigen Helfern den Mordhof abzureiĂen. Beim Abriss wurde das blutverschmierte Tatwerkzeug gefunden, eine Reuthaue, die aus dem Besitz von Andreas Gruber stammte und auf dem Dachboden unter den Dielenbrettern (im sogenannten Fehlboden) in der NĂ€he des Kamins versteckt worden war.
Es lieĂ sich zweifelsfrei nachweisen, dass eine ĂŒberstehende Schraube, die offenbar bei einer unfachmĂ€nnischen Reparatur angebracht worden war, Verletzungsspuren bei den Opfern hinterlassen hatte. Brauchbare FingerabdrĂŒcke konnten zwar nicht mehr festgestellt werden, wohl aber Anhaftungen von menschlichen Haaren.
Ergebnis der Ermittlungen
Trotz wiederholter Festnahmen ist bis heute kein TĂ€ter gefunden, die Akten wurden 1955 geschlossen. Trotzdem fanden noch 1986 letzte Vernehmungen statt, und Kriminalhauptkommissar Konrad MĂŒller ermittelte noch im Ruhestand weiter. Im Alter von 83 Jahren ĂŒbergab er 2018 seine gesammelten Akten zu dem Fall an das Bayerische Polizeimuseum in Ingolstadt.
Kriminalhauptkommissar Konrad MĂŒller
Reaktionen der Ăffentlichkeit
Bereits kurz nach der Entdeckung des Mordes fanden sich viele Schaulustige in Hinterkaifeck ein, und einige blieben sogar in der Nacht, um fĂŒr „die armen Seelen“ zu beten. An der Beerdigung am 8. April 1922 nahmen einige tausend Menschen auf dem Friedhof von Waidhofen teil. Es stellte sich nach der Tat eine regelrechte Hinterkaifeck-Hysterie ein, und die Bevölkerung der Umgebung spekulierte ĂŒber mögliche TĂ€ter.
Bestattung und Gedenken
Marterl in der NĂ€he des Tatorts
Die Toten sind ohne SchÀdel auf dem Friedhof Waidhofen bestattet, ein Gedenkstein wurde am Grab errichtet. Die SchÀdel der Toten befanden sich zuletzt in einem JustizgebÀude in Augsburg und wurden bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg zerstört. Der Hof wurde bereits 1923 abgerissen, und heute steht in der NÀhe nur noch ein Marterl.
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